Kinder-Erziehung ist ein Tabu-Thema. Sprechen Sie mal Tacheles auf einer Kinderparty angesichts einer ursprünglich weißen Wand: „Nicht mit Schoko-Fingern!“ Caligulas Löwenarena ist da vergleichsweise ein Retreat. So schnell können Sie gar nicht schauen und Sie sind mit den Eltern mitten in einem Konflikt. Also verhalte ich mich lieber still, lasse das Haus neu ausmalen, diesmal in Latex, man weiß ja nicht, wann die nächste (Kinder-)Party ins Haus steht.
Geld und Politik – das sind die Tabu-Themen von gestern. Das allerorts gegenwärtige Pling-Pling hat die Diskretion in Sachen Geld spätestens mit den pfundschweren Goldketten der Rapper abgelöst. Genauso wie der volksnahen Rechtspopulismus die breiten Niederungen der Bevölkerung durchdringt und erstmals mit Mehrheitsfähigkeit in den Parlamenten ein mit Nazi-Parolen beschmiertes Europa erahnen lässt. Alles kein Thema mehr. Da müssen neue Flächen zur (Auf-)Reibung her. Was wäre da besser geeignet als das Experten-Thema Kinder-Erziehung? Schien im letzten Jahrhundert Erziehung oft zu simple ("Du musst dein Kind ruhig mal drei Tage schreien lassen."), müssen wir uns heute fragen, wie wir ohne Master-Degree in postnataler Pädagogik überhaupt in der Lage sind, die richtige Farbe für das Kinderzimmer auszusuchen.
Zu kurze Arme oder Sicht?
Wir haben im Halbstock eine kleine Toilette. Sie besitzt den Vorzug der absolut zentralen Lage im Haus. Vor einiger Zeit war sie der Ort eines bemerkenswerten Geschehens: Ein 5-jähriger Bub besucht die Örtlichkeit. Nachdem der „Groschn gefallen“ ist, steckt er, noch auf der Schüssel sitzend, den Kopf aus der Tür und ruft das gesamte Haus beschallend: „FERTIG!“... Die Runde um den mittäglichen Tisch verharrte in Erwartung, was nun folgen würde. Der Kindes-Vater erhebt sich, eilt dem Kind zur Hilfe, sich in den für zwei Personen zu kleinen Raum hineinpressend, um das Hinterteil des Kleinkindes einer Hygieneprozedur zu unterziehen. Warum danach der Sohn anstelle des Vaters sich die Hände waschen muss, bleibt hier unbeantwortet, nicht aber die Frage, warum ein kurz vor der Einschulung stehendes Kind sein Basisbedürfnis nicht selbst zu Ende bringt. Die Erklärung lautet: „Seine Arme sind zu kurz.“ ... Was, wie, warum? Hat das Kind einen Impfschaden? Erfolgt der Zugriff des Armes zum Hinterteil über den Umweg des Nackens? Hat das sonst noch jemand in der Familie? Keine Sorge. Mittlerweile ist es ausgewachsen und der Knabe wäscht sich danach noch immer die Hände, zumindest lässt er das Wasser laufen.
Damals wie heute sind wir Kraft der Geburt eines Kindes als Vater oder Mutter (darf man das noch so sagen?) nicht per se mit den notwendigen Skills ausgestattet. Fehler dürfen und werden passieren. Wer da glaubt, dass Liebe zum Kind allein schon ausreichend ist, der/die übersieht, dass die Erziehung eines Kindes nicht nur ein knochenharter Job, sondern auch lt. Gesetz Pflicht ist. Schauen Sie mal ins ABGB hinein. Folgendes Beispiel soll neben dem vorgenannten dies veranschaulichen. Bitte bewerten Sie selbst, welcher Ansatz eher dazu geeignet ist, das Kind in seiner Entwicklung zu fördern und für die Gesellschaft Nutzen zu stiften.
Diese zweite Begebenheit habe ich erst gestern als Posting auf LinkedIn gesehen:
https://www.linkedin.com/posts/syed-danish-zaidi-6b618a167_parenting-lettinggo-resilience-activity-7212726334714744833-iEYQ?utm_source=share&utm_medium=member_desktop. Der Beitrag offenbart einen alternativen Zugang in der Kinderziehung. Neben Hilfe in Problemsituationen – das Kind wird also nicht selbst überlassen – wird es zur Entwicklung von eigenständigen Lösungsvorgängen animiert. Das stellt das Kind vor Herausforderungen und zwingt Eltern zu bewussten Unterlassung von permanenten Service-Leistungen. So mancher mag an dieser Stelle einwenden, dass die angewandte Methode, sich traumatisierend auf das junge Leben auswirken könne. Ich frage mich, welches der beiden Kinder eher in der Lage sein wird, mir beim Ausmalen zu helfen.
Die neuen Kreuzzüge
Kinder-Erziehung ist mittlerweile zur Religion erhoben worden, zig Denominationen und Anschauungen stehen gegeneinander. Und wie bei Religionen üblich, kennzeichnet sie alle der Anspruch, allein selig zu machen. Die neuen Kreuzzüge werden gegen die Anschauung des jeweilige andern geführt: Bei Ablehnung der neuen Glaubenssätze („Mein Kind definiert seine Grenzen selbst.“) droht die Inquisition und die Darstellung am Pranger der sozialen Medien. Die Eskalation erklimmt dabei im Nu eine Höchststufe, auf der die Vermittlung mittels Mediation nur mehr schwer möglich ist. Zu weit liegen die Positionen auseinander. Wen wundert es da, dass viele Erholung in „Adults only“-Hotels suchen. Womit eigentlich nur die Frage überbleibt: Wie sieht er aus, der „Adult“ von morgen, und werde ich als „Senior“ künftig Adult-Hotels eher meiden?
Konflikt-Barometer
Gegensätzliche Positionen in der Kinder-Erziehung führen zu ernsten Konflikten, die oft nicht aufgelöst und zu einer dauerhaften Schädigung der Beziehung der Konfliktparteien führen. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass aufgrund der persönlichen und divergierenden Werte und dem hohen Grad an Emotionalität der Wille zur Konfliktbeilegung gering ist und die Lösungsoptionen recht beschränkt sind.
Involvierte Personen: | 🧨 |
Eskalation: | 🧨🧨🧨 |
Relevanz: | 🧨🧨🧨 |
Mögliche Empathie: | 🕊️ |
Lösungsoptionen: | 🕊 |
Erzielbarer Kompromiss: | 🕊 |
Das Konflikt-Barometer ist der nicht wissenschaftliche Versuch einer Bewertung von Konfliktsituationen. Es können je nach Ausprägung bis zu 3 Dynamitstangen bzw. Friedenstauben vergeben werden.
Der Autor möchte mit dieser Konfliktstory die eigene Reflexion in Bezug auf Konflikte, wie sie im Alltag auftauchen, anregen. Er erlaubt sich nur in der Verarbeitung persönlicher Konflikte Mitteln der Satire.
Comments