„Der tut ja nichts. Er will nur spielen.“ ist fast schon ein Serotyp, das besonders gerne von Besitzern von Listenhunden bemüht wird. Sabine Tritthart war persönlich durch eine Begegnung betroffen und erzählt, wie sie im Konflikt mit dem Hundebesitzer die Ruhe bewahren konnte.
Es war ein lauer Sommerabend, als ich beschloss, meine Laufrunde im nahegelegenen Wald zu unternehmen. Die Vögel sangen, und die angenehm leuchtenden Sonnenstrahlen schienen durch das Blätterdach der Bäume und Föhren. Genau das, was ich brauchte, um dem Stress der Woche zu entfliehen. Ruhig und friedlich. Als ich nach 45 Minuten Lauf Richtung Endspurt durch einen schmalen Weg mit Büschen musste, stand plötzlich ein großer Rottweiler vor mir. Ich blieb stehen, um nicht bedrohlich zu wirken, sagte sogar „Ach du bist eh ganz lieb und brav“ wohl mehr um mich selbst zu beruhigen, aber das Tier sah trotzdem für mich nicht weniger aggressiv aus. Ich hatte richtig Stress, diesem Hund meinen Rücken zu zeigen. Ich dachte: „Der beißt mich bestimmt von hinten. OH NO – warum gerade ich in diesem Wald, mit diesem Hund?“ Stress pur, aber Überlebensgeist zugleich. Mein Herz schlug schneller. Die Bilder in meinen Kopf überschlugen sich – gleichzeitig sah ich bereits die Schlagzeile in der Gemeindezeitung.
„Zurück!“ Ein Mann, der etwa in den Siebziger war, kam eilig auf uns zu. „Es tut mir leid, er meint es nicht böse. Er will nur spielen“, sagte er, als er den Hund am Halsband packte. „Er sieht nicht so aus, als ob er nur spielen will“, entgegnete ich, bemüht, ruhig zu bleiben. „Warum ist er nicht angeleint? Es gibt hier eine Leinenpflicht.“ Der Mann runzelte die Stirn. „Ach, kommen Sie. Bruno ist harmlos. Er braucht Freiheit, um sich auszutoben. Er tut ja nichts.“ „Das mag ja sein“, antwortete ich, „aber es gibt Regeln, und sie sind aus gutem Grund da. Nicht jeder fühlt sich wohl bei einem nicht angeleinten Hund, besonders wenn er so aggressiv auf mich wirkt, wie ihrer, der auch richtig groß ist und die Rasse zugleich schon eine Bedrohung ist.“
Die Situation wurde zunehmend angespannt. „Sie sind wahrscheinlich eine von denen, die keine Ahnung von Hunden haben“, sagte der Mann gereizt. „Bruno würde nie jemandem etwas tun. Sie übertreiben ja und sind schon rot im Gesicht.“ „Die rote Farbe in meinem Gesicht ist LAUFEN und nicht nur der ÄRGER!“, entgegnete ich.
„Es geht nicht darum, keine Ahnung zu haben, ich mag Hunde“, erklärte ich. „Es geht darum, dass ich mich unsicher fühle. Und ich bin sicherlich nicht der Einzige. Sie sollen bitte Verantwortung für Ihren Hund übernehmen. Uns geht es beiden nicht besser, wenn ich gebissen werde und Sie auch noch Strafe zahlen müssen – abgesehen davon möchte ich keine Bisswunde haben – nicht einmal daran denken mag ich.“
In diesem bereits entstandenen Konflikte versuchte ich trotz ATEMBESCHWERDEN und meiner Aufregung meine GEFÜHLE UND SICHTWEISEN darzulegen. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, dachte ich mir in dieser Situation. Eigentlich wollte ich einfach nur gesund aus diesem Wald!
Der Mann murmelte etwas Unverständliches, während er den Hund festhielt. „Vielleicht sollten Sie sich einen anderen Ort zum Laufen suchen, wenn Ihnen das nicht passt.“ „Vielleicht sollten Sie die Regeln respektieren, wenn Sie in der Öffentlichkeit sind“, entgegnete ich ruhig. „Es ist für die Sicherheit aller, einschließlich Ihres Hundes.“
Er sah mich für einen Moment an, dann drehte er sich um und ging wortlos weg, den Hund an der Leine ziehend, welcher auch noch einen Blick zu mir wagte.
Ich beugte mich vor, atmete tief durch und spürte, wie die Spannung langsam nachließ. Diese Begegnung hatte meinen entspannten Lauf getrübt, aber ich war erleichtert, dass sie ohne Verletzung endete und ich auch stehen geblieben war, um es zu klären. Kurz dachte ich, den Mann nicht anzureden und einfach weiterzulaufen. Das konnte ich aber in dieser Situation nicht. Ich wollte es klären. Etwas in mir sagte: „HALT – das wird jetzt angesprochen!“
Nach Hause laufend, gingen mir das Ereignis nicht aus dem Kopf. Es war ein klarer Hinweis darauf, wie wichtig es ist, sich an Regeln zu halten, respektvolles Miteinander zu leben und Rücksicht auf andere zu nehmen. Der Wald ist für alle da, und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es ein sicherer und angenehmer Ort bleibt. Für alle.
Wenn ich jetzt diese Geschichte niederschreibe, bin ich dankbar, dass mir nichts passiert ist. Ich bin stolz auf mich selbst, weil ich den Konflikt-Verursacher direkt konfrontiert habe, nicht meinen Mund gehalten habe und gleichzeitig möglicherweise eine weitere Person vor Schaden bewahren konnte.
In einer Konfliktsituation ist es wertvoll, die Haltung von Respekt zu haben, mit klaren Worten zu kommunizieren und kein zusätzliches Drama zulassen. Sachlich, klar und nicht persönlich zu sein, war mir eine große Stütze und förderlich zugleich. In Konfliktsituationen ist es mir ein besonderes Anliegen, dass sich Menschen ehrlich mitteilen und nicht schweigen. Emotionen und Gefühle sind da und sie sollen wahrgenommen werden. Diese auch zu teilen, schafft eine unglaubliche Transparenz und Klärung.
Konflikt-Barometer
Involvierte Personen: | 🧨🧨 |
Eskalation: | 🧨🧨 |
Relevanz: | 🧨🧨🧨 |
Mögliche Empathie: | 🕊🕊🕊️ |
Lösungsoptionen: | 🕊🕊 |
Erzielbarer Kompromiss: | 🕊🕊 |
Das Konflikt-Barometer ist der nicht wissenschaftliche Versuch einer Bewertung von Konfliktsituationen. Es können je nach Ausprägung bis zu 3 Dynamitstangen bzw. Friedenstauben vergeben werden.
Autorin: Sabine Tritthart, MSC
ist Trainerin und Wirtschaftscoach, Mediatorin, Inhaberin der Praxis für Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialentfaltung. Sie versteht sich als Sparring Partnerin für Führungskräfte und verfügt über langjährige Erfahrung als Mitglied des Kriseninterventionsteams bei Austrian Airlines.
Tel: +43 676 912 55 73 - office@sabine-tritthart.at - www.sabine-tritthart.at
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