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Nein-Sagen: Wie klare Grenzen für mehr Respekt und weniger Konflikte sorgen 

Autorenbild: Annette BehrendtAnnette Behrendt

Aktualisiert: 17. Feb.


Nein als unterschätzter Konfliktmotor

Konfliktpotenzial findet sich in fast jeder beruflichen Situation – besonders dort, wo unterschiedliche Erwartungen aufeinandertreffen. Ein "Nein" kann hier schnell zum Funken werden, der Konflikte entflammt. Aber warum ist das eigentlich so? Viele Menschen sind fest davon überzeugt, nie "Nein" sagen zu können –sei es gegenüber Kolleg:innen, Vorgesetzten oder Kund:innen. Dabei unterschätzen wir oft zwei Dinge: Auf der einen Seite kann ein gut platziertes "Nein" Beziehungen sogar stärken kann, anstatt sie zu gefährden. Auf der anderen Seite erodiert stetes Übertreten der eigenen Grenze den eigenen Selbstwert und führt so langfristig zu stärkeren Problemen.


Annette Behrendt: „Nein“ zu sagen bedeutet nicht, sich aus allen Verpflichtungen zu stehlen oder andere vor den Kopf zu stoßen.
Annette Behrendt: "Nein" zu sagen bedeutet nicht, sich aus allen Verpflichtungen zu stehlen oder andere vor den Kopf zu stoßen.

Warum fällt uns „Nein“ so schwer?

Von anderen geliebt und wertgeschätzt zu werden, zählt zu unseren Grundbedürfnissen. In frühen Gemeinschaften hätte ein Ausschluss aus dem Stamm den Tod bedeuten können. Auch wenn wir längst nicht mehr mit Pfeil und Bogen durch die Welt ziehen, signalisiert unser Nervensystem noch immer: „Achtung, Zugehörigkeit nicht aufs Spiel setzen!“ Das führt dazu, dass ein „Nein“ oft ähnlich bedrohlich wirkt wie früher die Angst vor dem Ausschluss aus der Sippe. Wenn wir „Nein“ sagen, befürchten wir, unser Gegenüber könnte sich verletzt oder abgewiesen fühlen. Doch die Realität ist oft eine andere: Ein klares, wertschätzendes „Nein“ erntet meist mehr Respekt als ein halbherziges „Ja“.


Klaus Eidenschink (Managerseminare Heft 321) diferenziert vier wesentliche Faktoren, die vor einem Nein bremsen:

  1. Nein kränkt: Viele glauben durch ein Nein die Wertschätzung oder Unterstützung von anderen zu verlieren. Das heißt, sie befürchten akuten Beziehungsverlust.

    Nein schadet: Oftmals wird ein Nein aus "Rücksicht" vor anderen übergangen, größtenteils zu Schaden der eigenen Person.

  2. Nein isoliert: Nein kann auch isolieren und in eine Außenseiter-Rolle drängen. Hier wird befürchtet, dass der soziale Status akut angegriffen wird.

  3. Ohnmacht: Gerade bei starkem Machtgefälle ist die Wahrnehmung „es bringt ehʼ nix" weit verbreitet. Achtung, solche übergangenen Neins sind insbesondere im Beruf Mitursache für Burnout und Quiet Quitting.


In der zwischenmenschlichen Teamdynamik hat das „falsche“ Ja oftmals verheerende Konsequenzen wie endlose Überstunden, Überarbeitung, Erschöpfung und wirkt sich langfristig auf die Mitarbeiter:innen-Bindung aus. Zeit, sich ein „Nein" etwas näher anzuschauen! 


Wie Nein im Job funktioniert

Absagen treffen wir im Berufsleben täglich in den unterschiedlichsten Varianten. Schauen wir drei typische Szenarien an:


  1. Nein gegenüber Kolleg:innen

Gerade unter Kolleg:innen entstehen schnell Erwartungen: Sie helfen aus, springen ein oder übernehmen Zusatzaufgaben. In der Arbeit mit Teams merke ich sehr stark: Die eigenen Kolleg:innen zu enttäuschen und Nein zu sagen fällt besonders schwer. Doch gerade hier ist richtiges Erwartungsmanagement wichtig: Welche Aufgaben können noch übernommen werden, und wo müssen andere Lösungen gefunden werden?


Eine besonders schwierige Situation ist das Ausnutzen von gutmütigen Kolleg:innen für unwichtigere aber sehr arbeitsintensive Aufgaben. Diese Aufgaben können viel Arbeitszeit stehlen, werden aber im sozialen Status und auch in Beförderungen allerdings nicht gewürdigt. Häufig sind Frauen und Minderheiten davon stärker betroffen, weil ihnen eher Serviceorientierung oder Gefälligkeit zugeschrieben wird.


Ein Beispiel: Ihre Kollegin bittet Sie zum wiederholten Male, Protokolle zu schreiben, eine Präsentation zu finalisieren oder einen Report zu ziehen, weil sie selbst mit wichtigeren Aufgaben eingedeckt ist. Wenn Sie jedes Mal zähneknirschend „Ja“ sagen, bringt Ihnen das kaum Anerkennung – es ist vielmehr irgendwann selbstverständlich. Ein professionelles „Nein“ könnte lauten:

„Danke für Ihr Vertrauen, aber ich habe aktuell leider keine Kapazität. Ich kann Ihnen jedoch kurz zeigen, wie das Protokoll am besten strukturiert wird.“

So bewahren Sie eine hilfsbereite Grundhaltung, setzen aber klare Grenzen. 


  1. Nein gegenüber Vorgesetzten

Hier wird das „Nein-Sagen“ noch herausfordernder: Schließlich besteht ein Machtgefälle. Dennoch kann es für beide Seiten sinnvoll sein, Grenzen aufzuzeigen. Ein „Ja“ aus Angst führt oft zu schlechter Qualität, Überlastung oder langfristiger Demotivation.


Was auf der Seite der Mitarbeitenden oft übersehen wird, ist: Die Vorgesetzten wissen nicht alle tagesaktuellen Aufgaben. Das heißt bei Überlastung können Prioritäten diskutiert bzw. manche Aufgaben komplett hinterfragt werden. Das setzt allerdings voraus, dass die Dinge angesprochen werden.


Eine andere Situation stellt sich, wenn man fachlich anderer Meinung ist. Auch diese Tatsache kann mit den Vorgesetzten besprochen werden, indem man in einen Austausch geht. Das heißt noch lange nicht, dass die Perspektive auch übernommen wird, aber es ermöglicht die Chance zu einem Austausch auf Augenhöhe. Vielmehr zeigt ein solcher Austausch auch Proaktivität und Mitdenken, und kann langfristig sogar karrierefördernd statt hindernd sein.

You miss 100% of the Shots You Donʼt Take | Wayne Gretzky

Sprechen Sie Dinge geschickt an, es könnte sich etwas verbessern! 


  1. Nein gegenüber Kund:innen

In vielen Organisationen herrscht der Leitsatz „Der Kunde ist König“. Das kann dazu verleiten, selbst bei unrealistischen Anforderungen alles Mögliche zu versprechen. Entweder sind endlose Überstunden und damit Überlastung die Folge – oder/und irgendwann muss die Wahrheit raus. Wenn Sie Ihr Team überlasten oder Deadlines schönreden, schadet dies dem gesamten Projekt. In solchen Situationen bedeutet "Nein" nicht, den Kunden abzublocken, sondern Erwartungsmanagement zu betreiben. Lernen Sie Gespräche so zu lenken, dass die Nachricht vom anderen positiv aufgenommen wird.


Beispielsweise:

„Ich verstehe, dass Ihnen der Termin wichtig ist. Leider kann ich diese Lieferung bis nächste Woche nicht seriös garantieren. Was ich Ihnen anbieten kann, ist …“

So vermeiden Sie Missverständnisse und sichern sich langfristig das Vertrauen Ihrer Kund:innen. 


Systemische Fallstricke: Geschlechterrollen, Team und Organisationskultur

Ein „Nein“ beschränkt sich nicht auf die Interaktion zwischen zwei Personen. Meist hat es eine systemische Wirkung – auf das gesamte Team oder sogar die Organisation.

  • Team-Dynamik Wenn Sie sich trauen, Aufgaben abzulehnen, verschieben Sie unbewusst Rollen und Verantwortlichkeiten. Das kann kurzfristig für Unruhe sorgen, aber mittelfristig zu gerechteren Strukturen führen.

  • Geschlechtsspezifische Erwartungen Studien zeigen, dass Frauen eher in die Rolle der hilfsbereiten „Team-Playerin“ gedrängt werden, während Männer seltener für Serviceaufgaben herangezogen werden. Ein "Nein" durchbricht diese Muster und kann Diskussionen über gerechte Aufgabenverteilung anstoßen. Hier ist es wichtig, die kleinen, zeitfressenden, aber Umsatz & Gewinn-irrelevanten Aufgaben gleichmäßig im Team zu verteilen. An Männer werden seltener solche Aufgaben (auch non-promotable Task - also beförderungs-irrelevante Aufgaben genannt) herangetragen. Zusätzlich gibt es eine stark differenzierte Bewertung von Nein zwischen Männern und Frauen: Ein Nein von Männern wird schneller akzeptiert und beeinflusst nicht den sozialen Status. Bei Frauen wird das Nein weniger akzeptiert und sie auch eher dafür sozial diskontiert. (Weirup et al (2020): Gender differences in the response to requests to do non-promotable tasks. Unpublished manuscript)


Organisationskultur Unternehmenskulturen, die eine offene Fehlerkultur pflegen und Mitarbeitende ermutigen, Grenzen zu setzen, profitieren in der Regel von geringeren Ausfallzeiten und höherer Motivation. HR und Führungskräfte können maßgeblich dabei helfen, diese Kultur zu etablieren.


Praxis-Tipps für ein professionelles "Nein"

  • Selbstklärung Machen Sie sich vorab bewusst, warum Sie absagen möchten (fehlende Zeit, persönlicher Wertkonflikt, mangelnde Ressourcen). Ein jedes Ja ist ein Nein zu anderen Möglichkeiten. Welche Chancen/Verpflichtungen sind wichtiger als die, die gerade zur Diskussion stehen?

  • Alternativen anbieten Ein einfaches "Nein" kann Brücken abbrechen. Verstehen Sie die Situation des Anderen und gehen Sie in eine Lösungsfindung. Beispielsweise mit einem: „Nein, aber ich kann Ihnen jemanden empfehlen …“ oder „Nein, aber ich zeige Ihnen gerne das Vorgehen.“

  • Schadensbegrenzung Wenn bereits etwas schiefgelaufen ist, sprechen Sie das aktiv an. Warten Sie nicht, bis Ihr Gegenüber auf Probleme kommt und Sie dann aus der Verteidigung argumentieren müssen. Nutzen Sie den Vorteil, das Problem so zu framen, dass Ihr „Nein“ mit Lösungen verbunden wird.

  • Verständnis signalisieren Zeigen Sie, dass Sie die Situation Ihres Gegenübers verstehen. Personen sind insbesondere an Verständnis und Problemlösungen interessiert. Wenn Sie hier helfen, wird die Absage viel leichter angenommen.


Fazit: Ein Nein kann Konflikte reduzieren und Erfolg ermöglichen

"Nein" zu sagen bedeutet nicht, sich aus allen Verpflichtungen zu stehlen oder andere vor den Kopf zu stoßen. Ganz im Gegenteil: Eine klare, aber zugleich wertschätzende Absage zeigt, dass Sie verantwortungsvoll mit Ihrer Energie und Ihren Ressourcen umgehen. Das schafft Respekt – sowohl bei Kolleg:innen, Vorgesetzten als auch bei Kund:innen.


Gleichzeitig regen Sie durch das Nein-Sagen an, über eingespielte Rollen und Erwartungen nachzudenken. Ob Genderklischees in Teams oder Unrealistisches im Kundenauftrag: Ein professionelles „Nein“ macht sichtbar, wo Strukturen nicht mehr passen. Wer den Mut hat, sie anzusprechen, ist meist nicht der Störenfried, sondern der oder die Impulsgeber:in für ein nachhaltigeres, gesünderes Miteinander.


Hinweis für HR und Führungskräfte:

Fördern Sie eine Kultur, in der Mitarbeitende ohne Angst vor Repressalien ihre Grenzen aufzeigen können. So stärken Sie Eigenverantwortung, beugen Burnout vor und entwickeln resilientere Teams, in denen ein „Nein“ wirklich akzeptiert wird. 
Leseempfehlung zu dem Thema:

Eidenschink, 2024: Die positive Kraft des Neins. Managerseminare Heft 321 (Dezember 24) Babcock et al, 2022: The No Club. Putting a Stop to Womenʼs Dead-End Work. Piatkus Verlag 


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