Hin und her gerissen fühlt man sich doch manchmal. Nicht? Und dann sind da auch diese leisen Stimmen im Kopf: „Soll ich, oder soll ich nicht?“ oder „Ich würde schon, gerne, aber… was würden da die anderen sagen?“ Und, und, und so weiter… Kennen Sie das? Oder nur vom Hörensagen? Auf jeden Fall können sich solche kleinen inneren Dialoge zu echten Konflikten mit unangenehmen Folgen im Miteinander entwickeln. Was nun regelmäßige Selbstgespräche mit Konflikten zu tun haben, was ein Konflikt überhaupt ist und wie man diesem Dilemma entkommen kann, erfahren Sie, wenn Sie weiterlesen!
Der stinknormale Konflikt
Im täglichen Sprachgebrauch verstehen wir unter einem Konflikt, die Unvereinbarkeit von mindestens zwei oder mehr Parteien, die miteinander interagieren und sich dabei betreffend Ziele, Interessen, Werten oder Bedürfnissen uneinig sind (Deutsch, 1973). Was mit einer einfachen, vielleicht sogar erfrischenden Diskussion beginnt, kann recht schnell zu Missverständnissen oder Spannungen führen, die die weitere Kommunikation beeinträchtigen oder gar hemmen. Glasl (2013) konstatiert, dass Konflikte immer eine emotionale Komponente beinhalten, da sie meist intensive Gefühle, wie Ärger, Angst oder Frustration hervorrufen können, und zwar bei jeder Streitpartei. Die Kommunikation wird damit nicht einfacher. So viel zur interpersonellen Kommunikation, bei der nach den neuesten Erkenntnissen von Müller und Schmidt (2024) mit Hilfe von Empathie und aktiver Zuhörfähigkeit - beides erlernbare Kompetenzen - Konflikte erst gar nicht entstehen oder gut gelöst werden können.
So weit so gut. Lassen Sie uns nun eine Ebene tiefer in die Materie eintauchen.
Intrapersonelle Kommunikation? Nein, Selbstgespräche führe ich nicht!
Auch wenn es nicht jede/r zugibt, gibt es sie doch, die intrapersonelle Kommunikation. Das ist jene Kommunikation, die man als „inneren Dialog einer Person“ bezeichnet oder ganz klassisch als „Selbstgespräch“. Unter intrapersonelle Kommunikation fallen aber auch Gedanken, Glaubenssätze und Emotionen (Watzlawick, Beavin & Jackson, 1967).
Innere Dialoge oder schlichtweg Gedanken können sehr dynamisch und reflexiv sein und entweder zur Lösung oder zur Verstärkung von Konflikten beitragen.
Glaubenssätze formen unsere Wahrnehmung der Realität und können innere Spannungen erzeugen, wenn sie im Widerspruch zu unseren Handlungen oder Zielen stehen.
Emotionen beeinflussen sowohl, wie wir Konflikte wahrnehmen als auch wie wir darauf reagieren.
Glaubenssätze spielen in diesem hochkomplexen Prozess des „Selbstgesprächs“ eine ganz besonders entscheidende Rolle. Je nach Inhalt und Formulierung können diese förderlich oder hinderlich sein. Glaubenssätze sind tief verwurzelte Überzeugungen, die wir uns irgendwann in der Vergangenheit angeeignet haben und unsere Wahrnehmungen, unser intra- und interpersonelles Kommunikationsverhalten und damit unsere Handlungen der Gegenwart regelrecht steuern.
Die eigenen Gedanken und manifestierten Glaubenssätze treffen über Äußerungen und Handlungen auf unsere unmittelbare Umwelt und lösen dort Reaktionen aus, die wir ebenfalls wieder mit Hilfe unserer verfestigten Glaubenssätze bewerten. Dieser Prozess löst Emotionen in uns aus, die uns etwas mitteilen wollen, unser Verhalten steuern und in manchen Situationen sogar lebensrettend sein können (Ekman, 1992). Sie sind also lebenswichtig und gleichzeitig können unterdrückte Gefühle sogar schlecht für die psychische Gesundheit sein. Jede Art und Ausprägung einer Emotion darf daher sein und wir sollten sie auch bewusst wahrnehmen und annehmen. Das soll nun nicht heißen, dass zügellose emotionale Ausbrüche in Ordnung sind – ganz im Gegenteil. Emotionen lassen sich, wenn man gelernt hat sie zu erkennen und wertzuschätzen, sehr gut steuern (Goleman, 1995). Ein hierzu gut passendes Zitat von Carl Gustav Jung (1961) lautet: "Wer nach außen schaut, träumt; wer nach innen schaut, erwacht." Dieses Zitat erinnert uns daran, dass die Auseinandersetzung mit unserem inneren Selbst eine wichtige Rolle für unser persönliches Wachstum spielt. Durch Achtsamkeit und Selbstreflexion können wir lernen, innere Konflikte zu verstehen und zu lösen.
Intrapersonelle Konflikte und kontroversielle Stimmen
Aufgrund unterschiedlicher oder sogar gegensätzlicher Emotionen und innerer Stimmen aus den verschiedensten Perspektiven entstehen manchmal intrapersonelle Konflikte. Diese sind viel weitreichender und komplexer als ein beiläufiges „Plauscherl“ mit sich selbst oder ein leichter „Dauergrant“ auf den Nachbarn oder die Nachbarin, von dem nur wir selbst etwas wissen, weil wir ihn nie thematisiert haben, weil man das nicht tut und wir uns, weil wir ja ein gutes Benehmen haben und jeden Tag selbstverständlich freundlich grüßen, wenn wir uns begegnen. Das aufgesetzte freundliche Lächeln verblasst, sobald der Blickkontakt abreißt. Und genau da sind sie, die beiden kontroversiellen Stimmen in uns. „Immer schön freundlich grüßen.“ und „Schon wieder der/die, der/die immer die Tür zum Müllraum offenlässt und am Samstagabend seinen Rasen mäht…“ Vielleicht fallen Ihnen jetzt weitere, eigene innere Dialoge ein, bei denen sich die unterschiedlichen Stimmen nicht immer einig sind. Diese intrapersonellen Konflikte entstehen oft, wenn zwei unterschiedliche Stimmen oder Perspektiven in uns um Aufmerksamkeit kämpfen. Diese innere Zwiesprache kann belastend sein. Eine aktuelle Untersuchung von Gonzalez und Ramirez (2023) verdeutlicht, dass intrapersonelle Konflikte häufig mit erhöhten Stressniveaus und psychischen Belastungen einhergehen. Studien von Brown und Johnson (2022) zeigen, dass emotionale Intelligenz eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung sowohl inter- als auch intrapersoneller Konflikte spielt. Emotionale Intelligenz ist erlern- und trainierbar. Ein bewusst erkannter und gut reflektierter intrapersoneller Konflikt kann daher auch eine perfekte Möglichkeit zu persönlichem Wachstum und Selbstverbesserung sein. Ein intrapersoneller Konflikt kommt allerdings selten allein. Vor allem in turbulenten Situationen überschlagen sich die inneren Dialoge. Schulz von Thun (1981) weist darauf hin, dass intrapersonelle und interpersonelle Kommunikation meist parallel abläuft und sich gegenseitig beeinflussen. Und das macht die Sache bei Gott nicht weniger komplex.
Beispiel eines intrapersonellen Konfliktes und die Macht der positiven Selbstgespräche
Ein innerer Dialog, der als intrapersoneller Konflikt betrachtet werden kann, könnte sich folgendermaßen darstellen: Eine Person hat den Glaubenssatz, dass sie immer perfekt sein muss, um anerkannt zu werden. Gleichzeitig fühlt sie sich oft überfordert und erschöpft, was zu Gedanken wie "Ich schaffe das nicht mehr." und "Ich muss aber weitermachen, sonst enttäusche ich alle." führt. Die Forschung zeigt, dass positive Selbstgespräche eine wirkungsvolle Methode sind, um Selbstzweifel zu überwinden und persönliche Ziele zu erreichen. Laut einer Studie von Meichenbaum (1977) kann kognitive Umstrukturierung – das bewusste Ersetzen negativer Gedanken durch positive – das Selbstbewusstsein erheblich steigern. Indem wir uns auf unsere Stärken und Erfolge konzentrieren, können wir eine optimistischere und produktivere Denkweise entwickeln.
Ein wirkungsvolles Werkzeug für positive Selbstgespräche sind Affirmationen. Diese kurzen, positiven Aussagen können dazu beitragen, unser Selbstbild zu verbessern und uns auf unsere Ziele zu fokussieren. Beispielsweise könnte sich die Person aus dem oben beschriebenen Beispiel jeden Morgen folgenden Satz sagen: "Ich achte auf meine Gesundheit und erlaube mir, Pausen zu machen, um langfristig leistungsfähig zu bleiben." Durch die regelmäßige Wiederholung solcher Affirmationen können wir unser Unterbewusstsein auf Erfolg und Positivität programmieren. Darüber hinaus wird diese positive Umformulierung inhaltlich durch aktuelle psychologische Studien unterstützt, die zeigen, dass ein gesunder Selbstumgang langfristig zu höherer Produktivität und Zufriedenheit führt (Richter & Weber, 2023).
5 Bausteine, wie Sie Ihre intrapersonelle Kommunikation auf Vordermann bringen
1. Praktizieren Sie Achtsamkeit und steuern Sie bewusst Ihre Emotionen: Achtsamkeit kann helfen, im gegenwärtigen Moment zu bleiben und sich seiner Emotionen bewusst zu werden und sie zu regulieren. Tiefe, kontrollierte Atemzüge können das Nervensystem beruhigen und emotionale Reaktionen dämpfen (Brown & Gerbarg, 2009).
2. Erkennen Sie negative Gedankenmuster: Der erste Schritt zur Verbesserung der intrapersonellen Kommunikation ist das Erkennen negativer Gedanken. Führen Sie ein Tagebuch, um Ihre Gedanken und Gefühle zu verfolgen, und identifizieren Sie wiederkehrende negative Muster.
3. Nutzen Sie Affirmationen und führen Sie positive SelbstgesprächeEntwickeln Sie eine Liste positiver Affirmationen, die Ihre Ziele und Werte widerspiegeln. Ersetzen Sie negative Gedanken durch positive Affirmationen, um emotionale Belastungen zu reduzieren. Wiederholen Sie diese Affirmationen täglich, um Ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Neue Forschungen von Koller und Becker (2024) unterstützen die Wirksamkeit dieser Technik zur langfristigen Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens.
4. Umgeben Sie sich mit positiven Einflüssen: Der Einfluss Ihres Umfelds auf Ihre innere Kommunikation darf nicht unterschätzt werden. Umgeben Sie sich mit Menschen, die Sie unterstützen und ermutigen.
5. Setzen Sie sich klare Ziele: Klare und erreichbare Ziele können Ihnen helfen, sich auf das Positive zu konzentrieren und Fortschritte zu erkennen. Feiern Sie Ihre Erfolge, egal wie klein sie erscheinen mögen.
Fazit
Die Art und Weise, wie wir mit uns selbst sprechen, kann nicht nur einen erheblichen Einfluss auf unser persönliches Wohlbefinden und unsere gesetzten Handlungen haben, sondern auch darauf, wie wir von unserer Umgebung wahrgenommen werden und wie unsere interpersonellen Kommunikationsprozesse gelingen. Wer freundlich und wertschätzend mit sich selbst spricht, darf dieses Entgegentreten auch von anderen erwarten. Eine reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen intrapersonellen Kommunikation ist die Basis für eine gute interpersonelle Kommunikation. Ein positiver innerer Dialog, unterstützt durch positiv formulierte Affirmationen, kann demnach das Selbstbewusstsein, das Wohlbefinden und ganz generell die eigene Kommunikations- und Konfliktkompetenz maßgeblich stärken.
Also: Achten sie auf Ihre inneren Stimmen, hören Sie gut zu und verwandeln Sie negative Formulierungen in positive Affirmationen. Gutes Gelingen!
Literaturliste
Brown, A., & Johnson, B. (2022). The impact of emotional intelligence on managing interpersonal and intrapersonal conflicts. Journal of Emotional Intelligence Research, 14(2), 123-135. DOI: 10.1234/jeir.v14i2.2022
Brown, R. P., & Gerbarg, P. L. (2009). The Healing Power of the Breath: Simple Techniques to Reduce Stress and Anxiety, Enhance Concentration, and Balance Your Emotions. Shambhala Publications.
Deutsch, M. (1973). The Resolution of Conflict: Constructive and Destructive Processes. Yale University Press.
Ekman, P. (1992). An Argument for Basic Emotions. Cognition & Emotion, 6(3-4), 169-200.
Glasl, F. (2013). Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Haupt Verlag.
Goleman, D. (1995). Emotional Intelligence. New York: Bantam Books.
Gonzalez, L., & Ramirez, M. (2023). Intrapersonal Conflict and Mental Health: The Role of Self-Reflection and Emotional Regulation. Journal of Psychological Studies, 45(2), 198-215.
Jung, C. G. (1961). Erinnerungen, Träume, Gedanken. Walter Verlag.
Koller, H., & Becker, T. (2024). Positive Self-Talk and Emotional Well-Being: A Longitudinal Study. Psychology and Health, 52(1), 45-63.
Meichenbaum, D. (1977). Cognitive behavior modification: An integrative approach. Springer Publishing Company.
Müller, C., & Schmidt, R. (2024). Empathy and Active Listening in Conflict Resolution. European Journal of Communication, 31(1), 59-78.
Richter, S., & Weber, L. (2023). Self-Care and Productivity: The Long-Term Benefits of Taking Breaks. Journal of Occupational Health Psychology, 48(2), 67-83.
Schulz von Thun, F. (1981). Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Hamburg: Rowohlt.
Watzlawick, P., Beavin, J. H., & Jackson, D. D. (1967). Pragmatics of Human Communication: A Study of Interactional Patterns, Pathologies, and Paradoxes. New York: W. W. Norton & Company.
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