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AutorenbildJürgen Dostal

Interview: Annette Behrendt über kooperative Kommunikation in Konflikten.

Aktualisiert: 26. Apr.


Annette Behrend

PROCONSENS.AT: Frau Behrendt, wir werden heute über das Thema Mediation sprechen. Wie fördern Sie persönlich eine offene und transparente Kommunikation um Missverständnisse zu vermeiden?


Annette Behrendt: Ein Grundpfeiler für eine erfolgreiche Mediation ist das Offenlegen von verdeckten Motiven, Positionen und Überlegungen – und damit die Offenlegung von Konfliktherden. Denn in der Mediation sind wir an langfristigen und stabilen Lösungen interessiert. Das bedeutet, dass, wenn es Themen und wichtige Konfliktherde gibt, diese aufgedeckt werden müssen. Allerdings befinden sich viele Parteien, wenn sie sich zu einer Mediation entschließen, bereits in sehr festgefahrenen Situationen. Dadurch steht an erster Linie das Etablieren einer Vertrauensbasis in mich als Mediatorin, in den Prozess und in den Mehrwert, den dieser bringen kann. So können sich die unterschiedlichen Parteien langsam darauf einlassen und auch gegenseitig wieder Vertrauen fassen.


PROCONSENS.AT: Wie schaut das jetzt ganz konkret aus?


Annette Behrendt: In diesem Zusammenhang werden sehr oft Kommunikationsregeln und Leitlinien etabliert, die zwar sehr individuell sind, aber immer von Respekt geprägt sind. Wenn die Parteien zumindest einmal für zwei Stunden miteinander kommunizieren können, hat das sehr oft Auswirkungen auf das sonstige Miteinander. Zusätzlich hilft das direkte, aber humorvolle Ansprechen von Positionen und Problemen oftmals beim Übergang zum nächsten Schritt.

 


Annette Behrendt

PROCONSENS.AT: Wie unterstützen Sie die Entwicklung von Lösungen in schwierigen Situationen? Die beteiligten Parteien stehen sich doch in konfrontativen Positionen gegenüber.


Annette Behrendt: Erfolgreiche Kooperation fängt mit fließender Kommunikation an. Gerade in Konflikten hören wir weniger was der andere sagt, sondern mehr was wir meinen was er/sie sagt. Als Mediatorin fungiere ich oftmals als Übersetzerin und Verstärker dessen, was gesagt wurde. Wir nennen das auch kooperative Kommunikation. Gerade wenn wir in emotionalen Reaktionen sind, werten wir innerlich das, was von der anderen Partei gesagt oder getan wird, ab. Das ist ein uralter Instinkt, da wir in emotionalen Situationen abwehrend handeln. Mediatoren helfen an dieser Stelle, wieder mehr Aufmerksamkeit dem zu schenken, was wirklich im Raum steht. Sobald es möglich wird, dass die Parteien diesem Gesagten wieder Beachtung und auch Glauben schenken, ist ein großer Schritt getan.


PROCONSENS.AT: Das hört sich jetzt recht einfach an. Geht die Rechnung immer auf?


Annette Behrendt: In der Theorie klingt es recht einfach - in der Praxis ist der Schritt, dass sich die Parteien wirklich wieder zuhören die Mammutaufgabe in der Mediation. Da braucht es manchmal auch andere Techniken, um die Streitparteien .....Manchmal braucht es auch andere Techniken, um die Streitparteien aus ihrem Streitmuster zu locken. Da sind Überraschungselemente und absurde Interventionen oft hilfreich, um wirklich aus dem Streitmuster rauszukommen.

 

PROCONSENS.AT: Welche Unterschiede sehen Sie in der Herangehensweise bei Mediationen für private Individuen im Vergleich zu Mediationen in Unternehmenskontexten?


Annette Behrendt: Der direkte Vergleich zeigt, dass private Mediationen oft klarer zwischen einzelnen Personen stattfinden, die dann ihre Unterstützer mitbringen, während in Firmen Konflikte sehr schnell auf Teams ausweiten und eine weitaus höhere Komplexität mit sich bringen. Deshalb ist in Firmen oft ein ganz anderer Ansatz notwendig. Hier ist das Auftreten mit Mediationskollegen, wie wir es von Proconsens praktizieren, hilfreich, da wir so gemeinsam das Problem direkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten können.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch auf einen anderen Unterschied in der Kommunikation zwischen den beiden Kontexten eingehen: Denn in privaten Konflikten ist es wesentlich selbstverständlicher, dass starke Emotionen mitspielen. Hier gilt es, Kränkungen, Wut und Angst einzufangen und die dahinterliegenden Ursachen aufzuspüren.

Dagegen werden berufliche Konflikte in einer anderen Emotionalität geführt. Zusätzlich liegt eine komplexe Dramaturgie aus unterschiedlichen Personen und Systemen über dem Konflikt. Dadurch braucht es dort einen komplett anderen Ansatz als in privaten Kontexten.

 


Annette Behrendt

PROCONSENS.AT:  Wie können Unternehmen Mediation als proaktives Instrument zur Konfliktprävention und zur Förderung einer gesunden Kommunikationskultur implementieren?


Annette Behrendt: Oft wird die Feuerwehr erst gerufen, wenn das Haus schon lichterloh in Brand steht und wirklich nichts mehr zu retten gibt. Dieses Bild lässt sich gut auf die Mediation übertragen. Im klassischen Fall wird Mediation leider oft erst als Konfliktlösung gesehen, wenn beinahe nichts mehr geht. PROCONSENS.AT:  Was würden Sie also empfehlen?

Annette Behrendt: Fortschrittliche Unternehmen nutzen Mediation inzwischen schon bei kleineren Konflikten und Krisen, um Flächenbrände zu vermeiden. Oder sie bilden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speziell aus, die in der Folge einzeln oder auch in Kooperation mit Mediatorinnen und Mediatoren direkt und proaktiv helfen können, wenn Konflikte auftauchen. Dadurch kann ein neuer Umgang mit Konflikten erlernt werden. Denn Konflikte an sich sind ein sehr wertvolles Gut – hinter diesen verstecken sich oft Fragen, neue Perspektiven oder wirklich wichtige Probleme, die Beachtung benötigen. Wird ein neuer Umgang mit Konflikten erlernt, können wesentlich produktivere Resultate in allen Bereichen erzielt werden. PROCONSENS.AT:  Frau Behrendt. Danke für diese Ausführungen. Darf ich Sie abschließend ersuchen, unseren Lesern noch einen Tipp mitzugeben? Annette Behrendt: Eine erfolgreiche Streitkultur ist für menschliche Beziehungen und das menschliche Miteinander relevant und wichtig. Lassen Sie uns dies auch in unser berufliches Miteinander übertragen.

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