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AutorenbildJürgen Dostal

NEULICH im Jenseits – eine Konflikt-Story aus dem Alltag

Aktualisiert: 24. Nov.

Manchmal ist Servicequalität jenseitig, aber nur bei der Post muss man ins Jenseits.


Der Verlust eines nahen Angehörigen ist eine enorme psychische Belastung. Für viele Betroffene stellt dies eine Ausnahmesituation dar. Neben der seelischen Verarbeitung einer meist plötzlichen Trennung von einem lieben Menschen sind tausende Dinge zu erledigen. Die Finanzen sind zu klären, Wohnungen aufzulösen, Verträge zu kündigen, Rechnungen zu zahlen. Und dann wäre da noch die Post. Gemeint sind Briefe, Werbezusendungen und Rechnungen, die auch noch nach dem Ableben eines Menschen eintrudeln. Womit die Österreichische Post mit ihren Dienstleistungen ihren Auftritt im großen (Trauer-)Spiel hat.


Nachsendeauftrag für das Jenseits.
Nachsendeauftrag für das Jenseits.

In unserer Familie ist gerade ein sehr lieber Mensch verstorben. Sehr plötzlich und gänzlich unerwartet. Die Trauer ist speziell bei den erwachsenen Kindern sehr groß. Die Anteilnahme von Freunden, Kunden und Bekannten von nah und fern ist enorme Stütze und zeigt, dass Menschen eine Spur durch ihr Leben im Leben anderer hinterlassen können. Leider gibt es aber auch die typisch österreichische Bürokratie, die das Leben über den Tod hinaus erschwert.


"Dazu benötigen wir die Unterschrift des Toten."

Die Abwicklung des Testaments ist denkbar einfach. Die Kinder treten uneingeschränkt das Erbe an, womit die Abwicklung der Nachfolge inklusive aller noch ausstehenden Rechnungen voll bei ihnen liegt. Dazu gehört die Schließung eines Handwerksbetriebs, der als Einzelunternehmen vom Verstorbenen geführt wurde, und die Auflassung einer Genossenschaftswohnung. Beides Aspekte, die wohl in Österreich tausendfach pro Jahr auftreten, da der Tod keine Randerscheinung, sondern ein Massenphänomen darstellt.


Nun hat es sich erst letzte Woche zugetragen, dass eine der beiden Erbinnen am zuständigen Postamt in Salzburg wegen der Einrichtung eines "Post-Nachsendeauftrags" vorsprach. Die Wohnung wird in 2 Wochen an die Genossenschaft zurückgegeben, Zusendungen werden aber wohl noch über Monate weiter an die Adresse erfolgen. Wir kennen das alle.


Das Anliegen erklärt, sieht sich die Mitarbeiterin überfordert, es werden weitere Kollegen inklusive der Postamts-Leitung hinzugezogen. Eine genaue Prüfung der Sachlage ergibt: "Ja, die Einrichtung des Nachsendeauftrags ist möglich. Wir benötigen aber die Unterschrift des Toten."


Die Unterschrift des Toten. Mussten Sie so wie ich auch zweimal hinhören bzw. -schauen? Da stellt ja die Frage, wie der Verstorbene die monatlichen Gebühren von knapp 17 Euro bezahlen soll, fast schon ein Randthema dar. Vielleicht akzeptiert die Post ja Schecks aus dem Jenseits. Entsprechendes Gottvertrauen wollen wir mal angesichts der heiligen Marken-Farbe Gelb voraussetzen. Sie steht für das Göttliche.


Inspirierende Kundenkommunikation

Weniger göttlich und schon gar nicht unfehlbar dürfte jedenfalls das üblicherweise über die firmeninterne Kommunikationssysteme verlautbarte Produktwissen sein. Wir können nur mutmaßen, was die im heiligen Gelb gewandten Mitarbeiter zu ihren transzendentalen Aussagen bewogen hat. Ich habe mich mal inspirieren lassen:


  • Ich würde es durchaus verstehen, wenn die Post sich im Moment auf wichtigere Informationen konzentriert, wie z.B. Anweisung zur Limitierung der Länge von künstlichen Fingernägeln auf 5 cm. Immerhin steckt hinter der waffenscheinpflichten längeren Ausgabe eine etwaige Haftung der Geschäftsführung. Oder die genauen Positionierungsangaben von Süß- und Naschwaren auf der Augenhöhe von zuckersüchtigen Kleinkindern, die mit ihrem Gebrüll immerhin das in der Weihnachtszeit linear mit der Warteschlangenlänge steigende Murren überdecken.


  • Es kann natürlich aus sein, dass die Post, wie viele andere Unternehmen, damit kämpft, dass immer mehr Menschen nicht sinnerfassenden lesen können. Mein Tipp: Stellen Sie die Unternehmenskommunikation auf Hörbücher um, am besten mit der Stimme von Chris Lohner, da glauben vielleicht einige noch, dass sie das Abendprogramm des ORF vor sich haben.


  • Nicht zuletzt möchte ich keineswegs eine Produktinnovation der Post ausschließen. Wenn schon "Ghost – Nachricht von Sam" ein Millionenpublikum erschließen konnte, dann wäre "Spirit – Ihre Unterschrift für's Jenseits" die reinste Trägerrakete für den Aktienkurs des Unternehmens.


Der Teufel liegt im Detail

An dieser Stelle soll der gute Wille der Post-Mitarbeiter zur Lösung des mittlerweile zu einem massiven Konflikt ausgewachsenen Themas nicht unerwähnt bleiben:


  • Ein Urlaubspostfach sei die Lösung: Da könnte die gesamte Post gesammelt werden und der Inhalt müsste dann erst ausgefolgt werden, wenn die gerichtliche Todes-Bestätigung vorliegt.* Doch nein, oh weh: Auch hier wird die Unterschrift des "Verstorbenen" benötigt. Dass die Person einen Namen bzw. auch andere Funktionen hat (z.B. Wohnungsbesitzer, Vater, ehemaliger Kunde usw.), ist dem limitierten Wortschatz der Kundenorientierung gedient.


  • Die Unterschrift des Zweitinhabers: Kreativer Vorschlag. Nur schade, dass in Österreich Einzelunternehmer keinen zweiten Inhaber aufweisen. Danke für den guten Willen. Aber Nein: Eine nachträgliche Umgründung in eine GmbH. erscheint uns im Hinblick auf einen Nachsendeauftrag nun doch etwas überzogen. Überdies würden wir die Unterschrift des Toten benötigen.


Vorbereitung ist alles

Wie Sie als Verstorbener in Zukunft an einen Nachsendeauftrag kommen? Ganz einfach. Sie müssen sich schon vorweg bei der Österreichischen Post registrieren mit E-Mail, Telefonnummer und Pass. Nun ja, wenn man auf Urlaub fährt, bereitet man sich schließlich auch vor. Vergessen Sie nicht, Ihre Zugangsdaten Ihren Lieben zu hinterlassen, denn damit könnten diese tatsächlich einen Nachsendeauftrag einrichten. Und schon erhalten Ihre Erben Nachricht von Sam.


Abschließende Bewertung Wenn wir der Definition von F. Glasl in Bezug auf den Begriff Konflikt folgen, dann liegt in diesem Beispiel eine Einschränkung in Bezug auf die Gefühle der Erben vor. Die wiederholte unpassende Wortwahl, mangelnde Empathie und die wenig lösungsorientierte Vorgangsweise haben den Konflikt befeuert, der ausschließlich von der Erbin empfunden wird. Schon mit wenigen Worten hätte man die Situation klären können, in dem man z.B. den Rückruf einer Fachkraft in Aussicht gestellt hätte. So wurde die Kundin/Erbin ergebnislos auf ein Call-Center verwiesen.


Konflikt-Barometer 

Involvierte Personen:

🧨🧨

Eskalation:

🧨

Relevanz:

🧨🧨

Mögliche Empathie:

🕊🕊

Lösungsoptionen:

🕊🕊🕊

Erzielbarer Kompromiss:

🕊🕊


*Das ist ein für Österreich typisches Kuriosum: Da liegt der Tote schon längst begraben, die gerichtlichen Akten werden jedoch noch monatelang offen sein.

Der Autor erlaubt sich in der Verarbeitung persönlicher Konflikte Mitteln der Satire. Das Konflikt-Barometer ist der nicht wissenschaftliche Versuch einer Bewertung von Konfliktsituationen. Es können je nach Ausprägung bis zu 3 Dynamitstangen bzw. Friedenstauben vergeben werden. 


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